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KOMMENTAR/079: Putzmittel im Hundefutter (SB)


Streckungsmittel im Tierfutter - Vorbote einer globalen Entwicklung

Ersatzstoffe und frisierte Lebensmittel sind auf dem Vormarsch

Melamin und Cyanursäure im Tierfutter


Mit der skur­ri­len Sci­ence-fic­tion Idee, alle or­ga­ni­schen Ab­fäl­le, ein­schließ­lich tie­ri­scher und mensch­li­cher Ka­da­ver, in ein­zel­ne Bau­stei­ne zu zer­le­gen und wie­der der Nah­rungs­mit­tel­pro­duk­ti­on zu­zu­füh­ren, weil die Nah­rungs­vor­rä­te, d.h. fri­sche Le­bens­mit­tel, nicht mehr für die wach­sen­de Welt­be­völ­ke­rung rei­chen, sind die meis­ten von uns spä­tes­tens seit dem Film "Soi­lent Green" bes­tens ver­traut. Was sei­ner­zeit kri­ti­sche Denk­an­stö­ße lie­fern soll­te durch die Dar­stel­lung auf die Spit­ze ge­trie­be­ner, gru­se­li­ger Re­cy­cling­me­tho­den ist al­ler­dings zu­min­dest für das Tier­fut­ter in­zwi­schen bit­te­re

Wahr­heit ge­wor­den.

Spä­tes­tens, seit­dem vor einem Monat das neue Re­cher­che­buch von dem be­kann­ten, eins­ti­gen Spie­gel-Jour­na­lis­ten Hans-Ul­rich Grimm "Kat­zen wür­den Mäuse kau­fen" mit dem Un­ter­ti­tel "Schwarz­buch Tier­fut­ter" er­schie­nen ist, wis­sen wir, daß so ziem­lich alles, was Men­schen eklig fin­den, Hunde wie an­de­re Tiere aber als freß­bar be­trach­ten, durch­aus schon zu Tier­fut­ter ver­ar­bei­tet wor­den ist. Immer wie­der käme es vor, daß Schlacht­ab­fäl­le

und ver­dor­be­nes Fleisch als Tier­mehl im Fut­ter lan­den, sagte Grimm am 10. April 2007 zur Ein­füh­rung sei­nes Bu­ches im Deutsch­land­ra­dio Kul­tur.

... Wenn Grimm bei sei­nen Re­cher­chen nicht wei­ter­kam, weil sich die Aus­kunfts­freu­de der Bran­che in Gren­zen hielt, dann zi­tiert er aus deren in­ter­nen An­wei­sun­gen und Stan­dard­wer­ken wie der "Kli­ni­schen Diä­tik für Klein­tie­re". Darin steht, dass Tiere "auch Dinge fres­sen, die für den Men­schen un­ap­pe­tit­lich sind", dar­un­ter "Er­bro­che­nes, Ab­fall und sogar Kot und Ka­da­ver".
(DLF, 15. Mai 2007)

Hun­de­be­sit­zer wis­sen ein Lied davon zu sin­gen, was so man­cher Vier­bei­ner als "le­cker" oder "ver­zeh­rens­wert" be­trach­tet, wenn sie bei ihrem Lieb­ling durch­set­zen müs­sen, die tote Schol­le am Strand oder den halb­ver­wes­ten Hasen im Feld nicht ganz auf­zu­fres­sen, ge­schwei­ge denn an­de­re or­ga­ni­sche Reste un­be­stimm­ter Her­kunft am We­ges­rand. Al­ler­dings glaub­ten wohl die meis­ten von uns bis­her, daß die sau­ber ab­ge­pack­ten Hun­de­fut­ter­tü­ten oder die mit Ge­winn­erschlei­fen von Tier­shows im Label ver­se­he­nen Tier­fut­ter­do­sen rei­nes, gutes Qua­li­täts­fut­ter ent­hal­ten, das den Lieb­ling nicht nur mit wert­vol­len Roh­stof­fen, son­dern auch noch mit den für sein Alter, sein Ge­wicht oder seine Rasse wich­ti­gen und not­wen­di­gen Nähr­stof­fen, Mi­ne­ra­li­en und Vit­ami­nen ver­sorgt. Die An­ga­ben von ver­meint­lich hoch­wer­ti­gen Roh­pro­te­in­an­tei­len, Mi­ne­ral­stof­fen, Fett u. dgl., mit denen sich die bun­ten La­bels so fach­män­nisch schmü­cken, sagen al­ler­dings nichts dar­über aus,

woher die Pro­te­ine stam­men und ob die Fut­ter­mi­schung, die laut Grimm zudem mit "al­ler­lei che­mi­schen Tricks" ver­se­hen wer­den muß, damit selbst Tiere sie über­haupt als etwas Eß­ba­res wahr­neh­men, ihre Ana­ly­sen­wer­te aus Flei­sch­ab­fäl­len, Aschen oder einem Stück fri­schen Fleisch ge­won­nen hat. Mit che­mi­schen Tricks und Ge­schmacks­ver­stär­kern kann auch der feins­te Ge­ruchs­sinn fehl­ge­lei­tet wer­den. Und das soll­te auch dem zwei­bei­ni­gen Ver­brau­cher zu den­ken geben.

Was näm­lich bei der Tier­nah­rung mög­lich ist, gilt auch für Le­bens­mit­tel. Ohne Ge­schmacks­ma­ni­pu­la­tio­nen durch Ge­schmacks­ver­stär­ker und künst­li­che Aro­men geht es kaum noch. Man­che an künst­li­che Düfte ge­wöhn­te Kin­der leh­nen in­zwi­schen sogar schon fri­sche Erd­bee­ren als "viel zu fade" im Ge­schmack ab und ver­wei­gern die Nah­rungs­auf­nah­me, wenn es sich denn nicht um die ge­sun­den, syn­the­ti­schen "Frucht­des­serts mit na­tu­ri­den­ti­schem Ge­schmack" han­delt.

Was das auf­ge­motz­te Le­bens­mit­tel­ab­fall­re­cy­cling an­geht - und es gibt auch dafür in der Le­bens­mit­tel­bran­che zahl­rei­che schreck­li­che Bei­spie­le (siehe hier­zu auch KOM­MEN­TAR/066: Über das Ge­heim­nis zar­ter, wei­ßer Hüh­ner­brüst­chen) -, so kann man sagen, was man will, zu­min­dest hat man es dabei immer noch mit tie­ri­schen Pro­te­inen, d.h. ver­dau­li­cher Nah­rung zu tun.

Die Gren­ze zu rein syn­the­ti­scher Nah­rung bzw. zu vor­ge­täusch­ter Nah­rung ohne jeg­li­chen Nähr­wert ist je­doch sehr dünn. Eine vage Ah­nung von dem, was mög­lich wäre oder viel­leicht sogar an­ge­strebt wird, lie­fern vor allem jene stolz an­ge­prie­se­nen Nah­rungs-

sur­ro­ga­te der Diät­mit­tel­her­stel­ler, die un­ver­dau­li­che Fette und Zel­lu­lo­se als Gleit­mit­tel und Ma­gen­fül­ler sowie in so­ge­nann­te Zeo­li­the ein­ge­brach­te Ge­schmacks­stof­fe für teu­res Geld ver­kau­fen. Zeo­li­the oder auch Kie­sel­gur sind sehr gute Ab­sor­ben­ti­en, d.h. es han­delt sich hier­bei letzt­lich um die Kie­sel­säu­reske­let­te kleins­ter Ur­tier­chen (Dia­to­meen), die z.B. als Ab­la­ge­run­gen aus dem Meer oder be­stimm­ten Bo­den­schich­ten ge­fun­den wer­den. Genau ge­nom­men und rein che­misch ist es al­ler­dings nichts an­de­res als be­son­ders po­rö­ser Sand, d.h. kleins­te Kie­sel mit einer be­son­ders gro­ßen Ober­flä­che, was ihn aus­ge­spro­chen saug­fä­hig und zu einem her­vor­ra­gen­den Trä­ger­ma­te­ri­al für an­de­re Stof­fe macht.

Was in Diät­pro­duk­ten noch er­wünscht sein mag, wird je­doch in­zwi­schen auch in der nor­ma­len Le­bens­mit­tel­pro­duk­ti­on als Er­satz- und Aus­tausch­stoff zu­neh­mend gang und gäbe, unter dem Vor­wand, auch hier Ka­lo­ri­en­men­gen oder Fett­sta­tis­ti­ken in einem bes­se­ren, ver­meint­lich ge­sün­de­ren Licht er­schei­nen zu las­sen. Jedem kri­ti­schen Be­trach­ter drängt sich al­ler­dings der Schluß auf, daß die preis­wer­ten Sur­ro­ga­te mög­li­cher­wei­se auch über den auf­kom­men­den Man­gel hin­weg­täu­schen hel­fen.

Wen wun­dert es da noch, wenn sogar die Her­stel­ler von ein­zel­nen Zu­satz­nähr­stof­fen (wie Wei­zeng­lu­ten für die Spa­ghet­ti-In­dus­trie) mal in den che­mi­schen Zau­ber­kas­ten grei­fen, um die ei­ge­nen Pro­duk­te auf­zu­wer­ten, zumal nicht nur die Nähr­wer­te in den Agrar­pro­duk­ten durch die zu­neh­mend aus­ge­laug­ten Böden sin­ken (d.h. der Glu­ten­ge­halt im ein­zel­nen Wei­zen­korn), son­dern zahl­rei­che Mi­ßern­ten oder schlech­te Er­trä­ge durch die sich än­dern­den Um­welt­be­din­gun­gen ein­fach gar nicht mehr die nö­ti­gen Men­gen an Agrar-

roh­stof­fen zur Ver­fü­gung stel­len. So­lan­ge diese Sub­stan­zen keine un­an­ge­neh­men Ne­ben­wir­kun­gen be­sit­zen, merkt nie­mand etwas von der Ma­ni­pu­la­ti­on, zumal die Ana­ly­se­wer­te ge­ra­de durch diese Zu­sät­ze in einem be­son­ders guten Licht er­schei­nen.

Pech al­ler­dings für den Her­stel­ler wie die ver­ar­bei­ten­de Le­bens­mit­tel­in­dus­trie, wenn dabei Feh­ler un­ter­lau­fen, die auf sol­che be­trü­ge­ri­schen Ma­chen­schaf­ten auf­merk­sam ma­chen, wobei es letzt­lich wie in dem kürz­lich durch die Me­di­en be­kannt­ge­wor­de­nen Skan­dal zwei­er chi­ne­si­scher Pro­du­zen­ten immer die­je­ni­gen am meis­ten trifft, die am we­nigs­ten mit der gan­zen Af­fä­re zu tun haben. So hieß es in einer Pres­se­mit­tei­lung der Nach­rich­ten­agen­tur Reu­ters schon am 3. April, die ame­ri­ka­ni­sche Food and Drug Ad­mi­nis­tra­ti­on habe die Ein­fuhr von Wei­zeng­lu­ten der Firma Xuz­hou Any­ing Bio­lo­gic Tech­no­lo­gy De­ve­lop­ment Com­pa­ny Ltd. ge­stoppt.

The FDA said wheat glu­ten sup­p­lied by the com­pa­ny to Menu Foods was found to con­tain me­la­mi­ne, a che­mi­cal used in plas­tics and fer­ti­li­zers. Menu Foods has re­cal­led 60 mil­li­on cans and pou­ches of "cuts-and-gra­vy" style wet pet food sold under va­rious brands after the de­aths of 14 cats and dogs.
(Reu­ters, 3. April 2007)

14 Tiere waren an Tier­fut­ter ge­stor­ben, in dem das Glu­ten die­ser Firma ver­ar­bei­tet wor­den war. Im Fut­ter will man schließ­lich Me­la­min ge­fun­den haben, ein Stoff, der, wei­ter­ver­ar­bei­tet zu Harz in hoch­glän­zen­den Au­to­la­cken, in Kunst­har­zen, in so­ge­nann­ten Ami-

no­plas­ten, in vie­len Ge­brauchs­ge­gen­stän­den aus Kunst­stoff und schließ­lich als Ab­ra­siv­teil­chen (Scheu­er­teil­chen) in Scheu­er- und Putz­mit­teln her­kömm­li­cher Her­stel­ler nichts Un­ge­wöhn­li­ches ist, aber in Hun­de­fut­ter schlicht nichts zu su­chen hat.

Was aber hat Me­la­min im Hun­de­fut­ter zu su­chen?

Me­la­min wird tech­nisch aus nichts an­de­rem als Harn­stoff ge­won­nen, wobei sich Harn­stoff NH2-CO-NH2 zu einem Sechs­ring (che­misch einem 1,3,5-Tria­zin) schließt. Wenn man be­denkt, daß sich Harn­stoff aus bei­na­he allen Ex­kre­men­ten und or­ga­ni­schen Ab­fäl­len ge­win­nen läßt, die von pro­te­in­hal­ti­gen Le­be­we­sen stam­men, dann be­kommt das Ganze an die­ser Stel­le schon einen leicht ma­ka­bren, soi­lent-grü­nen Bei­ge­schmack. Al­ler­dings ist Harn­stoff, ab­ge­se­hen von sei­ner Funk­ti­on als Dün­ge­mit­tel, sogar ein ganz le­ga­ler Zu­satz für Fut­ter­mit­tel, um den Stick­stoff­an­teil zu er­hö­hen und kei­nes­wegs schäd­lich. Mensch und Tier haben, so­fern sie ge­sund sind, aus­rei­chend Mög­lich­kei­ten in ihrem Me­ta­bo­lis­mus, mit Harn­stoff fer­tig­zu­wer­den.

Me­la­min eig­net sich al­ler­dings nicht nur mit sei­nem im Ver­gleich zu Harn­stoff noch hö­he­ren Stick­stoff­an­teil von 60 Pro­zent dazu, Stick­stoff zu er­gän­zen, es täuscht bei einer be­stimm­ten Probe auf Pro­te­ine (der so­ge­nann­ten Ween­der Ana­ly­se) einen we­sent­lich hö­he­ren Pro­t­e­in­ge­halt und damit z.B. im Glu­ten eben­falls eine hö­he­re Qua­li­tät vor als ei­gent­lich vor­han­den.

Da Me­la­min im tie­ri­schen Or­ga­nis­mus auch wie­der zu Harn­stoff ab­ge­baut wer­den kann, wird es laut Ve­te­ri­när Dr. Man­fred Stein

erst ab einer un­üb­lich hohen Kon­zen­tra­ti­on für den tie­ri­schen Or­ga­nis­mus schäd­lich, d.h. wenn so­viel Me­la­min aus­ge­schie­den wer­den muß, daß es in der Blase aus­kris­tal­li­siert und Bla­sen­stei­ne ver­ur­sacht. Ge­stor­ben wäre daran aber bis­her noch kein Tier.

An­ders ge­sagt, die che­mi­sche Sub­stanz Me­la­min wurde ver­mut­lich schon jah­re­lang Pflan­zen­ei­weiß­stof­fen wie Glu­ten (Wei­zen) oder Reis­pro­te­inen bei­ge­mischt, ohne daß es je­man­dem auf­ge­fal­len oder ein Tier zu Scha­den ge­kom­men wäre.

Die To­des­fäl­le an Haus­tie­ren in Ame­ri­ka sol­len auf einen zwei­ten Stoff in dem Tier­fut­ter zu­rück­ge­hen, der ver­mut­lich ab­sicht­lich bei­ge­fügt wurde, um wie­der­um den Pro­te­in­er­satz­stoff Me­la­min zu stre­cken.

Bis­her spe­ku­liert man dar­über, daß die­ser Stoff, die Cyanur­säu­re, wegen ihrer gro­ßen Ähn­lich­keit zu Me­la­min aus­ge­sucht wor­den ist, weil nicht mehr aus­rei­chend Me­la­min zum Vor­täu­schen von Pro­te­in zur Ver­fü­gung stand. Of­fen­bar wußte man nicht, daß dies fa­ta­le Fol­gen vor allem für den End­ver­brau­cher haben würde. Schließ­lich kann der Her­stel­ler nicht un­be­dingt vor­aus­ah­nen, zu was sein Glu­ten letzt­lich ver­ar­bei­tet wird, Tier­fut­ter oder Spa­ghet­ti.

Cyanur­säu­re gleicht Me­la­min (che­misch ei­gent­lich Cyanur­säu­re-amid) von der che­mi­schen Struk­tur her wie ein Zwil­ling dem an­de­ren, bei dem aber alle aus dem Ring her­aus­ra­gen­den Ami­no­grup­pen durch OH-Grup­pen er­setzt wor­den sind. Man kann z.B. Me­la­min auch unter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen ge­win­nen, indem man Cyanur­säu­re in Am­mo­ni­ak kocht. So­weit gin­gen die

chi­ne­si­schen Pflan­zen­ei­weiß­her­stel­ler al­ler­dings nicht. Sie er­gänz­ten ganz ein­fach die feh­len­de Menge Me­la­min mit Cyanur­säu­re (die al­ler­dings nur noch die Hälf­te an Stick­stoff ent­hält).

Cyanur­säu­re ist zwar ein Reiz­stoff, der u.a. zur Schwimm­bad­des­in­fek­ti­on ver­wen­det wird, wäre aber für sich ge­nom­men eben­falls kein aus­ge­spro­che­nes Gift. Ge­mein­sam mit Me­la­min ent­steht dar­aus dann ein töd­li­ches Ge­misch, was fa­ta­ler­wei­se erst durch diese Fut­ter­mit­tel­ver­fäl­schung ent­deckt wurde.

Wie diese bei­den Stof­fe genau zu­sam­men­wir­ken, wußte man zu­nächst nicht. Die be­trof­fe­nen Tiere zei­gen die be­kann­ten Sym­pto­me von Nie­ren­ver­sa­gen. D.h. sie re­agie­ren mit ver­mehr­tem Was­ser­be­darf und ent­spre­chend star­kem Was­ser­las­sen, das dann wie­der nach­läßt, bis zum voll­stän­di­gen Nie­ren­ver­sa­gen. Der Sym­ptom­kom­plex trifft aber auch noch für eine An­zahl wei­te­rer Er­kran­kun­gen zu (z.B. Dia­be­tes oder Lepto­spi­ro­sa-In­fek­tio­nen), so daß im Ver­dachts­fall das Hin­zu­zie­hen eines kom­pe­ten­ten Tier­arz­tes für eine sach­li­che und um­fas­sen­de Dia­gno­se un­er­läß­lich bleibt. Spe­ku­la­tio­nen oder vor­schnel­le Panik auf­grund eines Ver­dachts auf Ver­gif­tung könn­ten eben­so fa­ta­le Fol­gen haben wie un­ter­las­se­ne Hilfs­maß­nah­men.

Ab einem ge­wis­sen Punkt der Ver­gif­tung ist die Niere al­ler­dings so ge­schä­digt, daß es für das Haus­tier meist keine Ret­tung mehr gibt, denn die sehr teure künst­li­che Dia­ly­se, die als ein­zi­ge und letz­te Ret­tung bei Nie­ren­ver­sa­gen das Mit­tel der Wahl wäre, ist in der Tier­me­di­zin gar nicht vor­ge­se­hen.

In einem Be­richt der ame­ri­ka­ni­schen Uni­ver­si­ty of Guelph in der von ihr ver­öf­fent­lich­ten "Sci­ence Daily" vom 3. Mai 2007 konn­te man dann schließ­lich auch eine mög­li­che Er­klä­rung dafür fin­den, warum Cyanur­säu­re und Me­la­min ge­mein­sam mit den To­des­fäl­len in Ver­bin­dung ge­bracht wer­den dür­fen. Wis­sen­schaft­ler hat­ten aus dem Urin der er­krank­ten bzw. ver­stor­be­nen Tiere Kris­tall­spu­ren iso­liert, die sie mit syn­the­tisch her­ge­stell­ten Kris­tal­len ver­gli­chen, die wie­der­um im Labor aus Cyanur­säu­re und Me­la­min pro­du­ziert wor­den waren. Tat­säch­lich han­del­te es sich um die glei­chen Stof­fe, was den Ver­dacht er­här­tet, daß diese bei­den Stof­fe zu­sam­men in den Pflan­zen­pro­te­inen der be­trof­fe­nen chi­ne­si­schen Fir­men ver­wen­det wor­den sind.

Daß sich Cyanur­säu­re aus Me­la­min ab­spal­tet, wäre zwar theo­re­tisch eben­falls mög­lich, al­ler­dings nur in star­ken Säu­ren oder beim Er­hit­zen über 200 bis 300 Grad Cel­si­us, was in die­sem Fall wohl kaum un­be­merkt ge­blie­ben wäre.

Im tie­ri­schen Or­ga­nis­mus re­agie­ren die bei­den Sub­stan­zen ver­mut­lich unter Aus­kris­tal­li­sa­ti­on mit­ein­an­der, wobei sie die Ka­näl­chen in den Nie­ren ver­stop­fen, was dann mit den be­schrie­be­nen fa­ta­len und ver­mut­lich ir­re­ver­si­blen Fol­gen für das Tier endet, wenn man be­denkt, daß Me­la­min che­misch durch Po­ly­kon­den­sa­ti­on mit Form­al­de­hyd zu den so­ge­nann­ten Me­la­min­har­zen (Kunst­off­po­ly­me­ren) große dau­er­haf­te Mo­le­kü­le bil­det. Tritt hier die Cyanur­säu­re bei­spiels­wei­se an die Stel­le des Form­al­de­hyds, dann las­sen sich die Po­ly­me­re im tie­ri­schen Or­ga­nis­mus nicht mehr auf­lö­sen.

Man kann daher die Panik durch­aus ver­ste­hen, als NDR info am 10. Mai den Ver­dacht äu­ßer­te, es sei mög­li­cher­wei­se auch mit Che­mi­ka­li­en ver­seuch­tes Kat­zen- und Hun­de­fut­ter nach Deutsch­land ge­langt. In den USA steht der Fut­ter­mit­ter­her­stel­ler Me­nu-foods, der 60 Mil­lio­nen Dosen zu­rück­ru­fen mußte, in­zwi­schen kurz vor der Plei­te, ob­wohl er selbst ei­gent­lich zu den Be­tro­ge­nen ge­hört. Die Mög­lich­keit, daß Glu­ten oder Reis­pro­te­in der chi­ne­si­schen Her­stel­ler auch in der nord­ame­ri­ka­ni­schen oder eu­ro­päi­schen Le­bens­mit­tel­in­dus­trie ge­lan­det sein könn­te, wurde al­ler­dings bis­her immer ver­neint. Doch grün­det sich diese Aus­sa­ge nicht auf Ana­ly­sen. Laut NDR info:

... sind in Deutsch­land die Bun­des­län­der für die Über­wa­chung von Fut­ter- und Le­bens­mit­teln zu­stän­dig. Nach Aus­kunft der Mi­nis­te­ri­en wer­den bis­lang keine Pro­duk­te auf Me­la­min ge­tes­tet.
(Nord­deut­scher Rund­funk 10. Mai 2007/RC)

Neben der Angst vor einer lan­gen und schmerz­haf­ten Krank­heit

ge­hört Gift zu den Din­gen, vor denen sich der Mensch am meis­ten fürch­tet. Ge­ra­de diese Angst und Panik wird durch die Me­di­en ge­schürt, wäh­rend sie die sehr viel schwer­wie­gen­de­ren Pro­ble­me, die die Zu­kunft der Mensch­heit be­tref­fen, ge­wöhn­lich doch lie­ber ver­schlei­ern und ver­harm­lo­sen.

Man könn­te mei­nen, daß mit­hil­fe der Sorge und der Angst um des Men­schen bes­ten Freund zum einen ge­ra­de von den ei­gent­lich gra­vie­ren­de­ren Schwie­rig­kei­ten wie mas­si­ven Um­welt­ver­än­de­run­gen ab­ge­lenkt wer­den soll. Zum an­de­ren ge­wöhnt sich der Mensch durch die Wie­der­ho­lung sol­cher Fälle und durch die ga­ran­tiert nicht aus­blei­ben­de Er­leich­te­rung, daß er und sein ei­ge­ner Lieb­ling nur mit dem Schreck davon ge­kom­men sind, ganz all­mäh­lich an den Re­cy­cling­ge­dan­ken, ohne daß es ihm be­wußt wird. Und schließ­lich schmeckt die schlich­te Ge­mü­se­sup­pe, selbst auf­ge­brüht aus der Tüte, oder der le­cke­re Erd­beer­jo­ghurt mit sei­nem hohen Frucht­an­teil (aus ge­färb­tem Ap­fel­t­res­ter mit Erd­beera­ro­men) dann doch gleich viel bes­ser.

4. Juni 2007


 

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Toxizität der Kombination von Melamin und Cyanursäure


Der Beweis, dass das Auftreten akuter Nierenversagen bei Katzen und Hunden im
Jahr 2007 durch den Konsum von kontaminiertem Tierfutter entstanden ist, lässt
darauf schließen, dass Melamin und Cyanursäure in Kombination eine erhöhte
renale Toxizität aufweisen. Aufgrund dieses Zwischenfalles, wurden
Tierfutteranalysen angestellt. Diese zeigten die Gegenwart einer Vielzahl an
Triazinen im Futter, darunter auch Melamin und Cyansäure. Eine klein angelegte
Studie, in der Katzen mit melamin- und cyansäurehältigem Futter gefüttert wurden,
40
ergab, dass Nierenversagen und Nierensteinbildung vermehrt auftreten (Brown et al.
2007; Puschner et al. 2007). Dies wurde von Dobson et al. 2008 bestätigt, der
Studien durchführte, in der Ratten einmal Melamin allein, Ammelin und Ammelid
(Hydrolyseprodukte von Melamin) allein, eine Melamin- und Cyansäuremischung und
eine Mischung aller Komponenten erhielten. Weder Ammelin, noch Ammelid alleine
rufen renale Effekte hervor, aber die Mischung hinterließ signifikante
Nierenschädigungen und Kristalle in den Nephronen. Analysen bestätigten die
Anwesenheit von Melamin und Cyansäure in der Niere. Einzelne Kristalle aus Ratten
und Katzen wurden mit Hilfe einer Infrarotmikroskopie nach dem
Tierfuttermittelskandal analysiert. Durch diese Untersuchung wurde der Verdacht
bestätigt, dass die Kristalle aus Melamin und Cyansäure bestanden.
Das Salz Melamincyanurat weist eine sehr geringe Löslichkeit auf und es wird
angenommen, dass das zur Bildung von Melamincyanuratkristallen in der Niere
beiträgt. Man nimmt an, dass Melamin und Cyanursäure vom Gastrointestinaltrakt
aufgenommen und daraufhin systematisch verteilt werden. Anschließend bilden sie
Niederschläge in den Nierentubuli, welche zunehmend zu tubulären Blockaden und
Degenerationen führen. Die Gründe die für diese Niederschlagsbildung
verantwortlich sind, sind noch nicht restlos geklärt (Dobson et al. 2008).
Nach der neuen Beurteilung der UN Normungsorganisation (United Nation`s food
standards body), der Codex Alimentarius-Kommission, beträgt der erlaubte
Maximalbetrag von Melamin in Fertigpulver für Kinder 1 mg/kg und in anderen
Nahrungsmitteln und Tierfutter 2,5 mg/kg. Dies wurde am 6. Juli 2010 in Genf
beschlossen (WHO 2008).

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mehr inf:  http://chrisi.net/ernsti/Melamin.htm       http://chrisi.net/ernsti/mau3

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